Schon lange spielte ich mit dem Gedanken, einen Runensatz anzufertigen. Und gerade jetzt schien der richtige Zeitpunkt gekommen, wo die Sommersonnenwende buchstäblich ins Wasser fiel. Im Garten lagerten ein paar Äste von einem Haselnussbaum. Daraus sollte sich doch etwas machen lassen…
Die Tischsäge, mit der ich sonst Steine schneide, ließ mit einem anderen Sägeblatt zur Holzsäge umfunktionieren. Holzscheiben ließen sich nun also recht gleichmäßig aus dem Ast schneiden. Doch wie sollte es weiter gehen? Die Runen einfach drauf malen oder mit einem Brenneisen einprägen? Nein, das schien mir zu einfach. Sie sollten etwas besonderes werden. Und so kam ich zu der Idee, die Runen in die Holzscheiben zu fräsen.
Das war doch kniffeliger, als ich es mi ausgemalt hatte. Mit einem rotierenden Werkzeug eine gerade Linie ins Holz zu fräsen ist gar nicht so einfach. Das Holz hatte auch gleich noch eine weitere Lektion für mich: es ist nicht an allen Stellen gleich hart und gibt unterschiedlich nach. Grundsätzlich kann ich sagen, dass das Holz zur Mitte hin weicher war. Aber trotzdem war jede Scheibe anders.
Das ältere Futhark besteht aus 24 Buchstaben bzw. Runen. Jede musste ich von Hand fräsen und ausbessern, so gut wie ich es eben konnte. Es ist auch nochmal eine ganz andere Erfahrung, Runen so herzustellen als sie nur zu schreiben oder darüber zu lesen. Nie zuvor habe ich mich gedanklich so intensiv mit ihnen auseinandergesetzt und noch nie sind mir ihr Aussehen und ihren Namen so gut in Erinnerung geblieben, wie nach dieser Arbeit.
Gefräst waren sie nun. Die Oberflächen habe ich mit Schleifpapier geglättet und verfeinert. Von 50, 100, 200, 600, 800 bis 2000 Korn. Wie sollte es weiter gehen? Wie kann ich sie weiterhin besonders machen? Beim Fräsen kam es mir vor, als wären die Runen wie Adern im Holz. Blut fließt durch Adern. Was käme bei Bäumen dem Blut am nächsten? Was schließt Wunden? Genau, Harz. Doch es sollte nicht irgendein Harz sein. Mein Herz schlug für Bernstein von den heimischen Ostseestränden.
Also suchte ich mir Bernsteinsplitter zusammen und füllte die Adern mit Blut. Eine sehr filigrane Arbeit. Dann hatte ich eine Entscheidung zu treffen… lasse ich den Bernstein überstehen oder ebne ich ihn ein? Mit ISA habe ich einen Testlauf gemacht – sie wäre am einfachsten nachzumachen. Und dann entschied ich mich dafür, sie eben zu machen. Der Bernstein wirkt dann wie eingelassen.
Das erforderte eine geschickte Hand. Mit Schleifstein oder Schleifpapier kam ich nicht gut weiter. Auch hier half mir ein Gerät, mit dem ich sonst Steine bearbeite und poliere. So konnte ich die Runen vorsichtig glätten und geschmeidig machen.
Gut sahen sie schon aus. Aber das Holz musste noch mehr leben zeigen. Mit Antik-Wachs, das hauptsächlich aus Bienenwachs und Fichtenextrakt besteht, habe ich die Runen gesalbt, wodurch das Holz eine sattere Farbe annahm. Diese besonderen Runen sollten aber seinen Besitzer lange begleiten, der Bernstein nicht zerkratzen oder herausfallen. Ich hatte kürzlich begonnen, etwas mit Epoxidharz zu experimentieren. Und ich entschied mich, die bernsteinbesetzte Seite mit diesem Harz zu versiegeln. So sind die Runen stoß- und kratzfest, wasser- und schmutzabweisend und die Bernsteine sitzen fest an ihrem Platz. Zusätzlich gibt die dünne Schicht auch optisch noch ein brilliantes Finish.
Nachdem alles getrocknet war, wurden sie noch einmal mit einer Baumwollfilz-Scheibe poliert. Nach drei Tagen Arbeit sind sie fertig, und ich bin stolz auf meine Arbeit, bei der ich einiges über die Runen, das Holz und mich gelernt habe. So stolz, dass ich mich mit ihnen für den Etsy-Design-Award beworben habe. Ich rechne mit keiner Platzierung, aber diese Runen verdienen einfach diese Aufmerksamkeit.
Be blessed